Corona als Chance aus Sicht der Psychiatrieerfahrenen

ipebo

Digitale Teilhabe unter Corona –
Positive Aspekte aus Sicht der Psychiatrie-Erfahrenen

Die Digitalisierung ist – bei allen Beschwerlichkeiten und tragischen Geschichten, die Corona verursacht hat -, ein Bereich, der sich im vergangenen Jahr positiv entwickelt hat. Hiervon handelt der folgende Text.

Der Vorstand von iPEBo hatte schon vor der Pandemie die Absicht gehabt, sich digital zu professionalisieren. Für uns spielte die entsprechende technische Ausrüstung hierbei eine große Rolle. Über ein Non-Profit-Portal konnten wir einen Online-Server beziehen, der es ermöglicht, digital zusammenzuarbeiten, also z.B. zu wissen, an was der oder die andere gerade arbeitet, gemeinsame Kalender, gemeinsame Mailpostfächer, eine gemeinsame Aufgabenverwaltung.

Am Anfang von Corona waren wir also schon relativ weit für einen Betroffenenverein im Thema „Digitales“. Wir hatten bereits seit längerer Zeit Erfahrung mit der Kommunikation über eigene Internetseiten mit Online-Kontaktformularen und vor allem mit Video-Meeting-Tools wie Zoom oder MS Teams.

Wir ergriffen dann früh in der Corona-Pandemie in unseren Netzwerken die Initiative und motivierten andere Vereine wie den Betroffenen Bundesverband NetzG oder EX-IN Baden-Württemberg zu Video-Meetings als Ersatz für die bisherigen Präsenz-Treffen. Für uns bedeutete das eine große Erleichterung, da wir nun viele Treffen von zu Hause aus machen konnten und nicht mehr weite Strecken fahren mussten – die meisten überregionalen Meetings finden vom Bodensee aus gesehen weit weg statt. Schon ein Meeting in Stuttgart von nur 2-3 Stunden hat früher einen ganzen Tag in Anspruch genommen.

Jetzt war der Reiseaufwand weggefallen und der technische Aufwand bestand lediglich darin, ein Videomeeting-Programm am Arbeitsplatz zu öffnen, um mit der Kommunikation beginnen zu können.

Es stellte sich im Laufe der Zeit heraus, dass die Zusammenarbeit auch in Bereichen funktionierte, wo wir es nicht für möglich gehalten hätten. So probierten wir einzelne Module unserer EX-IN Genesungsbegleiter-Weiterbildung online aus. Hier gab es gute Rückmeldungen der Teilnehmenden. Sogar auftretende Krisen konnten im Online-Austausch aufgefangen werden.

Die EX-IN Kursteilnehmenden äußerten sich mehrfach dankbar, dass ihr Kurs nicht coronabedingt abgebrochen worden war, sondern online fortgeführt wurde.

Fazit:

„Ich gehe davon aus, dass die neuen digitalen Kommunikationsformen auch nach Corona bestehen bleiben werden, iPEBo ist hier gut aufgestellt.“

Wir haben uns damit endlich Teilhabe an einer gesamtgesellschaftlichen Entwicklung erarbeitet, die gerade stattfindet. Bisher hatten wir uns immer für Teilhabe eingesetzt in Bereichen, die für die Mehrheitsgesellschaft schon immer selbstverständlich war.

In meinen Ausführungen kommt meine Begeisterung für das Thema „Digitales“ zum Ausdruck. Dennoch weiß ich, was es bedeutet, hieran keinen Anteil zu haben, so wie es vielen Mitbetroffenen geht, die über kein digitales Gerät verfügen und den Umgang mit dem Internet nicht beherrschen. Unser Knowhow vor allem im Bereich Online-Kommunikation würden wir deshalb gerne in den GPV Bodenseekreis einbringen, in dem wir festes Mitglied sind. Unser Ziel ist es, Mitbetroffene bei Schwierigkeiten in der digitalen Teilhabe zukünftig zu unterstützen.

Präsenztreffen lassen sich trotz aller Begeisterung für „Digitales“ nicht ersetzen. Ich glaube Präsenz- bzw. Online-Treffen lassen sich schwer vergleichen. Sie haben verschiedene Qualitäten, die man entsprechend sinnvoll nutzen sollte. Zurückdrehen lässt sich die coronabedingte Entwicklung im Bereich „Digitales“ nicht mehr.

Ohne Corona hätte es vermutlich keine so hohe Bereitschaft in der Betroffenen-Community zur Nutzung digitaler Medien und hier vor allem von Videomeetings gegeben. Das ist aus meinen bisherigen Erfahrungen zumindest eine erfreuliche Entwicklung im Corona-Jahr 2020.

Rainer Schaff